Wiederverwertung, no
„Fast-Interior“ und der guckschock-Moment
Dabei sind „alt“ und „neu“ gute
Stichworte: Jedes Kind (schätzungsweise ab vier Jahren bzw. spätestens ab der
Sozialisation in einer „normal-modernen“ Kita mit begrenzten finanziellen
Mitteln) weiß, dass alt auch neu sein kann. Und dass es sogar richtig gut ist,
wenn dem so ist. Bedeutet: guckschock arbeitet in der Regel mit „ollem
Material“, mit Material, das schon da ist und nicht erst neu und ressourcenfordernd
produziert werden muss.
Wir kramen viel in vergessenen Ecken, bei uns und bei
anderen, auf verstaubten Dachböden und brackigen Baustellen … und sehen dann
auch oft danach aus. Das ist auch gut so: Wir wollen gar nichts Gelecktes,
nichts Feines, nichts Durchdesigntes, keinen Lifestyle und kein High-END. No lieblich Vintage und no Mainstream-Retro,
please! Wir möchten etwas, das unserem ganz speziellen und immer individuellen
Schöngeist-Feeling gut zu Gesicht steht, sich aber nicht selbst auseinandernimmt
in seinem Anspruch, „schön“ zu sein.
Ein weiteres No-Go: „Fast Interior“! Die Produkte, die ihr hier nachfragt und die dann nachproduziert werden dürfen, werden (wenn irgendwie möglich) nach dem Prinzip „Made to order“ und dem Prinzip „Print on Demand“ hergestellt.
Oder so: Kennt ihr diesen Moment, in dem man etwas zum ersten Mal wahrnimmt und sich fragt, ob man das jetzt mega scheiße oder mega gut findet? Das ist der guckschock-Moment! DEN wollen wir – und die weitere Auseinandersetzung mit Dingen und Umständen, die alles andere als eindeutig oder „perfekt“ sind. Wir wollen es schief, defekt, anarchisch, verpönt, crank und sogar mutiert, um es für uns und euch rund, gesund und wieder gut zu machen. Denn so vieles kann wieder gut werden!
Ungewöhnliches
Arbeiten gleich einzigartige Werke
Und damit etwas wieder gut wird,
führen wir es einer ungewohnten Nutzung zu, polieren es meistens nicht
auf, sondern kombinieren es stattdessen spannend-passend, entdecken und
gestalten Materialien neu, die im letzten Jahrzehnt vergessen oder so gar nicht
„in“ waren, überlegen uns veränderbare und platzsparende Lösungen, bauen
Modulmöbel, übertreiben, überfrachten und collagieren ausufernd.
Unsere Produkte entstehen sämtlich
in Handarbeit – sie sind Unikate, die man so nicht noch einmal kaufen kann. Und
viele unserer Upcycling-Ideen sind super einfach. Sie sollen euch zu eigenen
Arbeiten anregen. DIY-Anleitungen gibt’s hier nicht. Nutzt euren eigenen Kopf
und werdet so WIRKLICH kreativ.
Konsequent
nachhaltig oder besser feige?
Frage(n) und Anspruch in der Findungsphase
Was wir wollen, ist ganz schön schwierig in der Umsetzung. Oft
sind uns unsere Entwürfe noch nicht konsequent genug: Sie müssten
zum Teil gestalterisch viel weiter auf die Spitze getrieben werden. Manchmal
sind sie einfach BOAH-RING! Daran arbeiten wir gerade am meisten … Wir sind
sowas von in der Findungsphase ;-)
Apropos „konsequent“: Enzensberger hat mal gesagt, dass Konsequenz was für
Feiglinge ist. Habe ich lange nicht verstanden und sogar dementiert. Seitdem ich
diese Behauptung gelesen habe, suche ich nach Situationen, die belegen, dass er
hier vielleicht doch Recht hatte. Denn ich hätte es gerne so – Konsequenz ist ätzend
anstrengend.
Bei der Arbeit mit dem Label gab es diesen Moment, in dem ich mir eingestehen
musste, dass wir nicht konsequent nur öko gestalten, handwerkeln und vertreiben
können. Ab und an, in Entwurfsphasen, müssen wir SEHR viel Papier bedrucken, ab
und an brauchen wir die „gemeine Schraube“ oder verbrauchen herkömmlich
hergestellte Farben ohne Öko-Siegel und ab und an müssen wir auch in Lupo-FOLIE
verpacken (wobei die von uns verwendete Luftpolsterung tatsächlich schon recycelt
und „klima-ausgleichend teuer“ ist). Dabei hatte ich mir fest und sehr bockig vorgenommen,
in dieser so wichtigen Sache gnadenlos konsequent zu sein.
Gnadenlos konsequenterweise müsste ich nun also unsere guckschock-Idee samt des
ganzen Labels verwerfen und ad acta legen. Und dann?
Dann kaufen sich die Menschen statt unseres zu 80% recycelten Regals im
schlimmsten Fall eines aus einer Massenproduktion, für die viel Holz gerodet
wurde. Und all die schönen, alten Dinge, aus denen wir was zaubern, landen –
ebenfalls im schlimmsten Fall – auf dem Müll.
Man kann immer nur versuchen, es besser und dann irgendwann wirklich gut zu
machen. Das tun wir hier: Dort, wo es nachhaltig geht, produzieren wir
nachhaltig (und ansonsten transparent). Würden wir hier konsequent an unseren
Ansprüchen festhalten und würden wir dieses Label ergo erst gar nicht ins Leben
bringen, wären wir doof – und feige.
Einladung
Und weil man im Zusammenschluss noch besser (z.B. nachhaltiger) und effektiver arbeiten
kann als so ganz allein, lade ich euch ein, uns zu „joynen“ – ich mag dieses
Wort (es steckt halt „JOY“, also Freude, drin).
guckschock.azoo.shop
bietet sich für nicht organisierte Kreativgestaltende als Verkaufsplattform an. Wir sind eine gute Option für diejenigen unter
euch, die im stillen Kämmerlein vor sich hin schaffen. „Still“ im Sinne von:
Ihr seid gut und produktiv, aber von euch dringt noch nichts nach außen. Dabei
wäre es doch gut, der Welt da draußen die eigenen Arbeiten zeigen zu können, Feedback
(mag ich auch – kommt von „to feed“, also füttern/nähren) zu bekommen und (mal
wieder) Geld zu verdienen.
Also: Habt ihr was gebaut, gegossen, gezimmert, gezeichnet, gemalt, geklöppelt,
oder bis dato auch einfach „nur“ entworfen, das an die Wand anderer muss? Habt
ihr eine Idee oder sogar bereits ein fertiges Produkt? Vielleicht passt es zu
uns und vielleicht können wir es hier vertreiben.
Natürlich müssen wir daran ein bisschen was verdienen – jedes Produkt wird
einer gründlichen Produktkalkulation unterzogen. Manchmal passt sie für alle
Beteiligten, manchmal nicht.
SCHREIBT UNS AN – am besten per Mail (judith.tuech@ebene-n.de).
Ich fasse zusammen: Lüften, konstruktiv mit Mutationen umgehen, mal wieder gefüttert werden und zurückfüttern, sich mutig mit viel Schaffensgeist impfen lassen … Auf unser aller frohes Schaffen!
Judith